Schwarz
Ein lyrischer Text von Sarah Miriam Lutzemann
Schwarz ist eine Farbe
eine Farbe der Haut
aber doch nicht meine
denn meine Haut ist doch nicht schwarz, sagen sie
nur „so schön braun“
immer Sommer
SCHWARZ
das sind die anderen, die Ausländer
und das bin ich ja nicht
denn ich bin hier geboren
ich komme von hier, wirklich, war nie woanders
dieses Land ist meine Heimat
auch wenn es sich nicht wie ein Zuhause anfühlt
denn zuhause ist der Ort
an dem du dich nicht erklären musst
nicht verstellen musst, du selbst sein kannst
doch wenn ich mich nicht erkläre, tut es niemand
niemand erklärt mir irgendwas
warum ich mich doch verstelle, jeden Tag
und wer ich eigentlich bin
SCHWARZ
ist vielleicht die Antwort auf die Frage
vielleicht bin ich es ja doch
SCHWARZ
vielleicht bedeutet dieses Wort mehr als die Farbe der Haut
vielleicht bedeutet es
wie sie mich ansehen
wie sie über mich reden
wie sie sich fragen, wie es sein kann
dass ich existiere, hier, in diesem Land
wie sie sich fragen, ob es gut ist oder gefährlich
und wie sie verhindern können, dass es sie betrifft
indem sie sich fernhalten und ihre Türen verschließen
genau wie ihre Augen und ihr Herz
denn was ich nicht sehe, existiert nicht
was ich nicht fühle, kann nicht real sein
ich bin eine von ihnen und doch nicht
doch Worte haben Macht
SCHWARZ
dieses Wort hat Macht
Identitäten zu schaffen, Fragen zu stellen,
Antworten zu finden
auch Namen haben Macht
darum sprechen sie sie nicht aus
die Namen derer, die vor mir waren
SCHWARZ
Deutsch, beides, wie ich
ich habe die Namen gefunden, ich kenne sie
fühle ihren Klang auf meiner Zunge
der Bann ist gebrochen sie können mir nichts mehr
denn ich bin nicht mehr allein war ich nie, aber jetzt weiß ich es
darum werde ich es nie mehr sein
ich spreche das Wort aus
SCHWARZ
und die Namen all jener die vor mir waren und mit mir sind
und ich werde ihre Namen weitertragen
all jenen, die nach mir kommen und nach mir sein werden
SCHWARZ